Das Konzept ist mit wenigen Änderungen aus dem Vorjahr übernommen worden.
Allgemeines
Das Antifee soll ein Ort sein, an dem Grenzen anderer Menschen respektiert werden, damit möglichst viele Menschen sich wohl und sicher fühlen können. Um das zu gewährleisten muss sicher gestellt sein, dass grenzüberschreitendem und diskriminierendem Verhalten auf dem Festival keinen Raum gegeben wird. Konkret heißt das, dass wir keinen Bock haben auf: unerwünschtes Anmachen, Begrabschen und Betatschen, dominantes männliches Auftreten und sonstiges aufdringliches Verhalten. Ihr entscheidet selbst, wo eure Grenzen liegen!
Wir wissen, dass wir Sexismus auf dem Antifee nicht komplett verhindern können, wollen aber einen bewussten und betroffenensolidarischen Umgang schaffen!
Praxis
Damit ihr euch möglichst sicher fühlt, gibt es auf dem Festival Strukturen, damit ihr zu jeder Zeit und überall schnell Unterstützung bekommen könnt.
Dafür gibt es u.a. eine Ansprechgruppe, welche während des gesamten Festivals auf dem Gelände präsent ist. Ihr könnt sie jederzeit ansprechen, wenn ihr euch unangenehmen, grenzüberschreitenden Situationen ausgesetzt fühlt. Das Ansprechgruppenzelt bietet einen Rückzugsraum, in welchem ihr zur Ruhe kommen könnt. Die Ansprechgruppe geht auf eure Wünsche ein und kümmert sich um eure Bedürfnisse. Damit ihr die Ansprechgruppe auch ohne langes Suchen findet, ist sie auch über ein Handy erreichbar.
Die Nummer lautet 0175 / 67 89 446 .
Definitionsmacht
Damit sich möglichst viele Menschen wohl fühlen können, gilt auf dem Antifee Definitionsmacht und wird konsequent durchgesetzt!
Definitionsmacht heißt für uns, dass die Macht, einen sexualisierten bzw. sexistischen Übergriff zu benennen und als solchen zu markieren, einzig und allein bei den Betroffenen liegt und sie entscheiden, wie und ob damit umzugehen ist. Die Motivation, warum wir Definitionsmacht gut finden und durchsetzen, liegt in der konkreten Unterstützung der Betroffenen und einer parteilichen Haltung zu ihnen. Alle weiteren Schritte ergeben sich aus dem Wunsch nach einem betroffenensolidarischen Umgang.
Definitionsmacht stellt für uns eine Möglichkeit der Selbstermächtigung dar. Die Entscheidung über einen Übergriff zu sprechen und die Macht darüber zu bestimmen wie und ob damit umgegangen wird, tragen nur die Betroffenen – und das finden wir gut. Dabei gilt es zunächst, die Definitionsmacht der Betroffenen uneingeschränkt anzuerkennen und nicht zu hinterfragen, nach scheinbar objektiven Beweisen zu suchen, sich die Situation beschreiben zu lassen oder über die Mitschuld der Betroffenen zu spekulieren. Um die Betroffenen in ihrer Selbstermächtigung zu unterstützen, möchten wir Strukturen schaffen, um ihre Handlungsoptionen zu erweitern und ihnen nicht das Gefühl zu geben, alleine mit der Situation umgehen zu müssen. Es liegt an allen, die sich mit ihnen solidarisch erklären, Räume, Gruppen, Zusammenhänge und Strukturen auf Wunsch der Betroffenen so einzurichten, dass sich die Betroffenen möglichst frei und ohne Angst erneut verletzt zu werden, bewegen oder auch zurückziehen können.
Da es gängige Praxis ist, im Kontext eines sexualisierten Übergriffes die Täter*innenperspektive einzunehmen, möchten wir bewusst einen Perspektivenwechsel vornehmen. Wenn dem*r Täter*in oder seinem*ihrem Umfeld Raum geboten wird sich zu erklären, zu rechtfertigen oder auch zu entschuldigen, setzt sich die erfahrene Verletzung der betroffenen Person u.U. fort. Deswegen soll niemand anderes als die Betroffenen selbst darüber bestimmen, ob überhaupt und wann, wo, wie, mit wem und über was gesprochen wird.
Das subjektiv empfundene Leid ist nicht mit einem allgemeingültigen Maßstab fassbar. Als Außenstehende*r darüber urteilen zu wollen, wie schlimm oder besonders eine Situation war, kann dementsprechend nur schief gehen und darf nicht ausschlaggebend für die Anwendung des Definitionsmachtkonzeptes und seiner Konsequenzen sein. Indem wir die Definitionsmacht der Betroffenen anerkennen, wollen wir bewusst parteiisch mit ihnen sein. Wir wollen weder vermeintlich objektiv noch neutral mit solch einer Situation umgehen und schon gar nicht irgendwelche scheinbar belegenden Beweise einfordern. Dieses gängige Verständnis von Gerechtigkeit hilft in einer solchen Situation meistens nicht weiter.
Mit dem Definitionsmachtkonzept wollen wir also vor allem in einer eventuellen Notsituation bestmögliche Unterstützung leisten. Es ist zugleich aber auch ein politisches Statement mit dem wir uns gegen sexistische Machtausübung und ihre Verharmlosung positionieren. Wir fordern einen solidarischen Umgang mit Betroffenen sexualisierter Gewalt!
Wir thematisieren sexualisierte Gewalt nicht weil wir Panik schüren wollen, sondern um Handlungsspielräume zu eröffnen, wie ein angemessener Umgang mit eventuellen Grenzverletzungen aussehen kann. Verhindern können wir jene ohnehin nicht, aber zumindest die Strukturen dafür schaffen, dass es für die Betroffenen so angenehm wie möglich bleibt.
Dafür, dass es jeder*m auf dem Festival so gut wie möglich geht, sind wir aber alle verantwortlich!
Fußnote:
Oft geht es an gesellschaftlichen Realitäten vorbei, den Täterbegriff zu gendern und dementsprechend wird dies in vielen Texten zum Definitionsmachtkonzept nicht gemacht. In den meisten Fällen sexualisierter Gewalt sind die Täter männlich, die Betroffenen weiblich. Wir haben, um keine mögliche Situation auszuschließen, in diesem Text trotzdem konsequent gegendert, obwohl wir uns auch (in diesem Jahr wieder) im Plenum darüber uneinig waren.