Auch in diesem Jahr hat sich eine Gruppe von Menschen mit verschiedenen Hintergründen zusammengefunden, die gemeinsam das Antifee 2013 organisieren. Einige von uns haben schon Erfahrung, andere organisieren zum ersten Mal ein Festival. Unsere Motivation, das Antifee zu organisieren und unsere Erwartungen an das Festival sind unterschiedlich. Was uns aber alle eint, ist eine feministische und antisexistische Perspektive und die Kritik an einer Gesellschaft, in der patriarchale und heteronormative Strukturen noch immer Normalzustand sind – eine Gesellschaft, in der die binäre Einteilung nach Geschlecht schon mit der Geburt beginnt, in der Rollenzuschreibungen, Stereotype und Normen uns vorschreiben, wie wir auszusehen und uns zu verhalten haben.
Die Kategorisierung nach Geschlecht hat die Zuschreibung bestimmter Eigenschaften und Rollen zur Folge, die wir schon als Kinder erlernen und verinnerlichen und die eingebettet sind in Herrschafts- und Machtverhältnisse, die scheinbar kaum Platz für Alternativen lassen.
Auch wenn Männer und Frauen formell als gleichberechtigt gelten, erfahren Menschen, die „weiblich“ gelesen werden noch immer häufig Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechts. Auch sind es in den meisten Fällen Frauen, die von sexualisierter Gewalt betroffen sind.
Aber auch Menschen, die sich in dieses binäre Geschlechtersystem nicht einordnen können oder wollen, werden von dieser Gesellschaft ausgeschlossen. Gewalt, ob physisch oder psychisch, und Benachteiligungen sind für viele Menschen Alltag.
Das Antifee 2013 hat den letztjährigen Untertitel „Festival für feministische Gesellschaftskritik“ beibehalten, da es auch in diesem Jahr um eine Kritik der Verhältnisse aus einer feministischen Perspektive heraus geht. Eine feministische Gesellschaftskritik schließt für uns neben der Kritik an Geschlechterverhältnissen und deren politischen und individuellen Konsequenzen auch eine Auseinandersetzung mit anderen Herrschafts- und Machtmechanismen wie etwa Rassismus, Kapitalismus, Nationalismus und Antisemitismus mit ein, da sie als Teil gesellschaftlicher Strukturen notwendigerweise zusammengedacht werden müssen. Kategorien wie race, class, gender, (dis)ability etc. und die entsprechenden intersektionalen Identitäszuweisungen produzieren Ausschlüsse und legitimieren Ungleichheiten. Ein Leben frei von Diskriminierungen und Benachteiligungen wird somit für viele Menschen verunmöglicht.
Dieser Realität wollen wir eine emanzipatorische Praxis entgegensetzen, die Alternativen aufzeigen und empowern kann. Empowerment bedeutet für uns, sich ein Stück weit aus den gesellschaftlichen Zwängen befreien zu können und sich selbst und gegenseitig zu bestärken.
Mit unserem Festivalprogramm möchten wir den Besucher*innen die Möglichkeit bieten, sich mit feministischen Themen auseinanderzusetzen, Normen zu hinterfragen, sich mit Geschlechterrollen- und konstruktionen zu beschäftigen und diese kritisch zu reflektieren.
Neben theoretischen Inputs wird es auf dem Festival auch einige DIY-Workshops geben, die eine praktische Auseinandersetzung mit ganz unterschiedlichen Themen ermöglichen. Dabei geht es uns nicht nur um bloße Wissensvermittlung, sondern auch darum, einen Raum des gemeinsamen Austausches zu schaffen.
Perspektiven, die ansonsten in der Mehrheitsgesellschaft durch patriarchale Strukturen und andere Herrschaftsmechanismen marginalisiert werden, sollen im Rahmen des Antifees eine Möglichkeit bekommen, gehört zu werden.
Auch auf der Bühne wollen wir für diejenigen Menschen eine Möglichkeit schaffen, die ansonsten aufgrund gesellschaftlicher Herrschaftsverhältnisse eher selten die Gelegenheit bekommen, vor größerem Publikum aufzutreten. Auch in vielen linken Räumen sind Bühnen, Vorträge und Diskussionen männlich dominiert und so ist es uns wichtig auch auf der Bühne Sichtbarkeit und Öffentlichkeit für FrauenLesbenTrans*(FLT*)-Identitäten zu schaffen. Wir wollen nicht-heteronormative Lebensweisen sichtbar machen und geschlechtsbezogene Herrschaftsmechanismen in den öffentlichen Diskurs tragen.
Wir verstehen uns als offenes und basisdemokratisches Plenum, in dem Entscheidungen nach dem Konsensprinzip getroffen werden und in dem wir versuchen vorhandene Hierarchien aufzudecken und möglichst abzubauen. Diese Strukturen zeigen sich auch auf dem Festival, auf dem wir einen Raum zu schaffen wollen, der möglichst herrschaftsarm ist und in dem sich alle Besucher*innen und Künstler*innen wohl fühlen können.
Wir sehen das Festival als Versuch, einen Schutzraum zu bieten, der möglichst frei von Diskriminierungen und gesellschaftlichen Rollenerwartungen ist. Der Versuch, einen solchen (Frei-)Raum zu schaffen, funktioniert allerdings nur, wenn auch die Besucher*innen bereit sind ihr eigenes Verhalten kritisch zu hinterfragen und auf dem Festival ein bewusster Umgang mit den eigenen Privilegien existiert. Nur so kann eine Atmosphäre entstehen in der Feiern und gemeinsames Spaß haben ohne Mackertum, sexistische Sprüche und blöde Anmachen funktioniert.
Das Festival soll ein Ort sein, an dem die Grenzen anderer respektiert werden, um einen respektvollen Umgang untereinander und miteinander zu schaffen.
Wichtiger Bestandteil unserer antisexistischen Praxis ist unser antisexistisches Sicherheitskonzept. Auf dem Festival versuchen wir Strukturen zu schaffen, die diesem gerecht werden.
Auf dem gesamten Festivalgelände gilt daher das Konzept der Definitionsmacht! Voraussetzung für die Umsetzung dieser ist ein solidarischer Umgang mit Betroffenen von grenzüberschreitendem Verhalten. Um die Durchsetzung dieses Konzeptes zu unterstützen, gibt es auf dem Festival die Antisexistische Ansprechgruppe.
Teil unserer antisexistischen Praxis ist es auch, dass viele Veranstaltungen auf dem Antifee bewusst nur für FLT* offen sind. Cis-Männer? sind von diesen Veranstaltungen ausdrücklich ausgeschlossen. Räume, die nur für FLT* geöffnet sind, sind noch immer notwendig, da diese mit den Konsequenzen einer patriarchalen Gesellschaftsordnung z.B. in Form von alltäglichen und versteckten Sexismsen, versteckten Sexismen, Grenzüberschreitungen oder sexualisierter Gewalt am meisten konfrontiert sind.
Dies soll die Selbstermächtigung und die Aneignung sonst eher verschlossener Räume ermöglichen.
Das Antifee ist ein selbstorganisiertes, unkommerzielles Festival, das sich als Teil einer linken, feministischen Stadtkultur versteht und mit vielen Göttinger Gruppen und Institutionen vernetzt ist.
Mit seinem antisexistischen und feministischen Anspruch möchte das Antifee aber auch zur kritischen (Selbst-)Reflexion innerhalb der Szene anregen. Denn patriarchale Strukturen machen auch vor der linken Szene nicht halt.
Neben dem Antifee-Plenum gibt es auch dieses Jahr eine Reihe weiterer Einzelpersonen, die uns bei der Organisation und Durchführung des Festivals unterstützen. Diese Menschen arbeiten unentgeltlich.
Das Antifee findet dieses Jahr bereits zum siebten Mal statt und obwohl das Organisations-Plenum personell nur wenig Kontinuitäten aufweist, greifen wir auf Strukturen, Infrastruktur und Kontakte zurück, die sich während der letzten Jahre entwickelt haben.
Uns ist es wichtig, das Festival für möglichst viele Menschen zugänglich zu machen, was u.a. auch bedeutet, dass wir keinen Eintritt verlangen.
Wir erwarten nicht fehlerfrei zu sein, wollen aber eine Atmosphäre schaffen, in der Menschen unbeschwert feiern, Musik hören, Kultur genießen, sich informieren und Spaß haben können.
Auf ein gelungenes Antifee 2013!
Cis-Männer sind Menschen, die bei ihrer Geburt männlich kategorisiert wurden und in deren Leben es keinen Bruch mit dieser männlichen Zuschreibung gab. (siehe auch: Eintrag zu Cisgender bei Wikipedia)