Die gesellschaftlichen Verhältnisse sind von vielerlei Machtstrukturen durchdrungenen. Diese beeinflussen unser aller Körper_lichkeiten nicht nur, sie produzieren sie regelrecht. Wir alle sind diesen Machtformen unterworfen, jedoch wirken sie auf jeden Menschen unterschiedlich. Bzgl. Geschlecht ist dabei eine Besonderheit, das cis-Männer das Privileg haben am wenigsten kommentiert zu werden (das soll nicht heißen, das cis-männliche Körper keinerlei Schönheits_normen unterlägen!), wenn sie ihre Oberkörper in der Öffentlichkeit nackt präsentieren. Dies erkennen wir als den derzeitigen „Normal“zustand, den wir scharf kritisieren. Nicht weil wir etwas dagegen haben, wenn cis-Männer sich in ihren Körpern wohl fühlen. Sondern weil FLT*I* nicht das Privileg haben, sich mit ihren Körpern (ob nackt oder angezogen) wohl zu fühlen, ohne dass diese kommentiert und auch sexualisiert werden.
Ein Beispiel für diese Sexualisierung ist, dass es in Deutschland per Gesetz verboten ist, weiblich definierte Brustwarzen unbedeckt in der Öffentlichkeit zu zeigen, während dies bei männlich definierten erlaubt ist. Nicht nur auf dieser gesetzlichen Ebene wird ständig versucht FLT*I* vorzuschreiben wie sie auszusehen haben. Mit der Kommentierung von Körpern meinen wir Schönheitsnormen die sich machtvoll auf die Körper von FLT*I* auswirken. Wir wünschen uns eine Gesellschaft, in der alle Menschen, egal welchen Geschlechts, egal wie sie aussehen, nackt oder angezogen herumlaufen können, ohne dass ihr Körper beurteilt, verurteilt oder sexualisiert wird.
Das Antifee ist kein Raum in dem wir genannte Mechanismen aushebeln und einen kompletten Schutz davor bieten können. Jedoch möchten wir einen Umgang damit finden, sodass sich alle Menschen in diesem Raum möglichst wohl fühlen. Wir sind uns im Klaren darüber, dass ein Umgang innerhalb dieses Raums mit den Auswirkungen von Herrschaftsmechanismen keine optimale Lösung sein kann. Allein weil wir damit die genannten gesellschaftlichen Zustände nicht auf_lösen können.
Welcher Umgang mit dieser Problematik der beste ist, war eine Frage, die uns im Plenum stark beschäftigt hat. Nicht nur weil wir dieses gesamtgesellschaftliche Problem im Rahmen des Antifees nicht lösen können, sondern auch, weil verschiedene Ansichten aufeinander stießen und teilweise schwer zu vereinbaren waren. Es war uns nicht möglich, einen Konsens darüber zu finden, ob bzw. inwieweit wir es für sinnvoll halten, das Ausziehen von T-Shirts/ Oberteilen bei cis-Männern zu unterbinden.
Erzeugt ein solcher Umgang wiederum Hemmschwellen für FLT*I* oberkörperfrei herumzulaufen? Wie können wir Fremddefinitionen bzgl. der Geschlechtsidentität vermeiden? Ist es sinnvoll und notwendig, Leuten die ohnehin viele Vorteile im Leben haben, ihre Privilegien an dieser Stelle einzugrenzen, um einen geschützteren Raum zu schaffen? Inwieweit ist nicht nur das Geschlecht und die Sexualisierung der weiblichen Brust, des weiblichen Körpers relevant, sondern ebenso verschiedene Körpernormen? Können_wollen wir FLT*I* das Ausziehen von Oberteilen verwehren, obwohl sie das Privileg oberkörperfrei zu sein und weitgehend unkommentiert zu bleiben ohnehin nicht haben?
Diese Fragen und die Situation in der wir uns mit dieser Auseinandersetzung befanden wollen wir transparent machen. Denn wer laut Konsens schreit, sollte auch dazu stehen, wenn dieser aus welchen Gründen auch immer scheitert. Wir halten die Debatte um den Umgang mit dem Zeigen nackter Oberkörper in Räumen, die sich kritisch mit Geschlechter_verhältnissen auseinandersetzen für extrem wichtig. Deshalb möchten wir anregen, diese vermehrt in Diskussionsräume zu tragen. Auch das Antifee ist ein Raum der Diskurse öffnen will. Jedoch möchten wir an dieser Stelle anmerken, dass es der falsche Raum ist, um die Umgangsweise, die wir für das Festival mit dieser Problematik gefunden haben, infrage zu stellen.
Für das Antifee haben wir uns entschieden, es nicht zuzulassen, dass cis-Männer ihr Privileg ausleben, ohne Bedeckung des Oberkörpers herumzulaufen.
Wie bereits angemerkt, ist uns bewusst, dass dies keine optimale Lösung darstellt. Allerdings sehen wir sie derzeit als die beste Lösung (bzw. die einzige, auf die wir uns einigen konnten), um mit dem Problem innerhalb des Antifees umzugehen und möchten, dass diese Entscheidung respektiert wird.