Auch in diesem Jahr haben sich wieder einige Leute gefunden, die Lust haben, gemeinsam ein queer_feministisches Festival zu organisieren. Dabei bringen wir verschiedene Hintergründe und Lebensgeschichten mit, aus denen teilweise ganz unterschiedliche Herangehensweisen, Ansätze und Vorstellungen einer gemeinsamen politischen queer_feministischen Praxis resultieren.
Wir haben nicht den einen „Feminismus“-Begriff, nicht das eine Verständnis von „queer“. Und auch unsere Motivationen und Erwartungen an ein queer_feministisches Festival sind unterschiedlich. Vieles hängt von den Kontexten ab, in denen wir uns bewegen und verorten. Einige von uns haben schon im letzten Jahr das Festival mitorganisiert, andere sind zum ersten Mal dabei. Einige haben schon Erfahrungen in linksradikalen, queer_feministischen Polit-Gruppen sammeln können, andere sind das erste mal organisiert aktiv.
Uns alle eint aber eine Kritik an einer Gesamtgesellschaft, in der Mechanismen und Machtverhältnisse wirken, die Menschen mit Privilegien ausstatten, von denen die einige profitieren, andere hingegen benachteiliget werden. Eine Gesellschaft, in der Menschen, je nach dem, welche Privilegien sie genießen (können), in bestimmte Kategorien gesteckt werden und je nach Status aus bestimmten gesellschaftlichen Räumen ausgeschlossen werden.
Das Antifee Festival ist kein Raum abseits dieser gesamtgesellschaftlichen Strukturen. Auch wir, die Menschen im Antifee-Plenum profitieren von bestimmten Privilegien, die uns zugesprochen werden und nutzen und reproduzieren sie wie selbstverständlich fast alltäglich.
Auch wir leben inmitten einer Gesellschaft, in der unter anderem heteronormative und sexistische, lookistische und rassistische Verhältnisse Normalzustand sind.
Ziel unserer Auseinandersetzung rund um das Thema Selbstpositionierung ist es, unsere eigenen Positionen in dieser Gesellschaft zu reflektieren und unsere Privilegien kritisch zu hinterfragen.
Dabei kann der Versuch einer Selbstpositionierung nur unvollständig sein. Wir sind uns dessen bewusst, dass noch immer vieles unbenannt und unsichtbar bleibt.
Unser Orga-Team besteht vor allem aus Frauen*Lesben*Trans*, die alle (in unterschiedlichem Maße) von Sexismen und von den gesellschaftlichen Auswirkungen von Heteronormativität und Patriarchat betroffen sind. Daher ist der Ausgangspunkt unseres Festivals eine feministische und antisexistische Perspektive und Praxis. Das heißt für uns auch, dass wir auf dem Antifee Frauen*Lesben*Trans*Inter* und allen, die sich nicht in das binäre Geschlechtersystem einordnen möchten_können, einen Raum bieten wollen, in dem kein Durchsetzten gegen die cis-männliche Dominanz notwendig ist.
Allerdings dürfen dabei andere Herrschaftsmechanismen, wie Rassismus, Klassismus oder Ableismus nicht vergessen werden, sondern müssen konsequent zusammengedacht werden.
Wir sind alle Anfang bis Mitte 20, Student*innen und kinderlos. Wir besitzen alle die deutsche Staatsbürgerschaft und weiße Privilegien.
Unsere privilegierte Situation (unter anderem relativ flexibles Zeitmanagement, sicherer Aufenthaltsstatus, keine Erfahrungen mit rassistischen Diskriminierungen..) trug dazu bei, dass wir uns entschließen konnten, ins Antifee-Plenum zu gehen und uns an der Orga zu beteiligen, ohne uns über etwaige Barrieren wie Sprache, Zeit, Alter, rassistische Diskriminierung Gedanken machen zu müssen.
Welche Barrieren bestehen für Menschen, ins Orga-Team zu kommen? Welche Ausschlüsse re_produzieren wir, wer oder was wird (auch auf dem Festival selbst) unsichtbar gemacht?
Wir brauchen uns nicht zu wundern, dass im Plenum nur Akademiker*innen sitzen, wenn wir vor allem in universitären Kontexten Werbung machen. Wenn unsere Sprache größtenteils akademisch und_oder gespickt ist mit „Szene-Codes“ (ggf. etwas lächerlich das zu schreiben, da wir im Text ja genau das an vielen Stellen tun).
Wenn wir daran etwas ändern wollen, müssen wir uns die Frage stellen, inwiefern unsere eigenen (individuellen) Lebensumstände und Kontexte unser politisches Denken und Handeln beeinflussen. Und wie sich dies auch in den Inhalten des Festivals widerspiegelt. Mit welchen Themen befassen wir uns? Welche Menschen sprechen wir damit an?
Gedanken zu Zugängen und Barrieren und die Frage, wie Räume möglichst offen gestaltet werden können, sind unumgänglich, wenn wir möglichst wenige Ausschlüsse re_produzieren wollen.
Wir haben uns in diesem Jahr als Orga-Team Mühe gegeben, existierende Barrieren_Ausschlüsse aufzuweichen.
Aber wir sind uns auch bewusst, dass wir auf dem Antifee noch immer eine Reihe von Barrieren_Ausschlüssen produzieren.
Mit diesem Text wollen wir zu einem reflektierten und kritischen Umgang mit der eigenen Position in den derzeitigen Herrschaftsverhältnissen aufrufen. Auch wir oder „die linke Szene“ befinden sich nicht abseits der machtvoll erhaltenen und ständig re_produzierten Normen und Verhältnisse, die wir eigentlich durchbrechen wollen. Und letztlich kann vor allem eine Hinterfragung der eigenen Position zu einer Zusammenarbeit von unterschiedlich positionierten Personen beitragen.