Zusammenhang zwischen Fußball und Nationalismus_Sexismus_Homophobie

In Deutschland ist wohl kaum ein Sport so populär wie der Fußball. In den letzten Jahrzehnten entwickelte er sich weg von einer Freizeitbeschäftigung für das Arbeitermillieu hin zu einem Massenphänomen, das alle sozialen Schichten durchdringt und von medialem und politischem Interesse ist. Allzu oft wurde der vermeintlich „integrationsfördernde“ Charakter der Bundesliga und insbesondere der deutschen Fußball-Nationalmannschaft von Politiker*innen und der Presse betont. Doch ist der Sport und sein Umfeld tatsächlich so weltoffen, wie er sich gibt oder trügt der Schein?

Diesen Sommer findet in Brasilien die Fußball-Weltmeisterschaft der Männer* statt und pünktlich dazu schmückt sich der*die Deutsche wieder in schwarz-rot-gold. Wie zu jedem großen Wettbewerb der Nationalmannschaften wird es wieder hip und cool, offen patriotisch zu sein. Doch dass das Verschmähen anderer Nationen eine sehr viel weitreichendere Tragweite als eine rein sportliche hat, wird oftmals übersehen. In dem lockeren Party-Patriotismus wächst eine chauvinistische Grundhaltung und insbesondere junge Menschen erfahren, dass es offensichtlich okay sei, stolz auf das eigene Land zu sein.

Nationalismus ist jedoch in jeglicher Form zu verabscheuen und es ist auch nicht okay, unter dem Deckmantel der sportlichen Auseinandersetzung patriotisch zu sein. Immer wenn sich Menschen positiv auf die „Zugehörigkeit“ zu einem Land beziehen, werden andere Menschen ausgeschlossen, denn dort wo es ein „wir“ gibt, gibt es immer auch ein „ihr“. Man kann sicher auf viele Dinge stolz sein – darauf, dass man zufällig in einem bestimmten Land geboren wurde allerdings nicht.

Nicht selten nutzen Neo-Nazis auch die Grundstimmung bei solcherlei sportlichen Großereignissen, um sich selbst zu profilieren und zu präsentieren. So erschien zur Weltmeisterschaft 2006 beispielsweise ein WM-Planer der NPD, in dem eine rein weiße Deutsche Nationalmannschaft gefordert wurde. Auch bei der vergangenen Europameisterschaft wurden vermehrt Menschen gesichtet, die ihre menschenverachtende Einstellung offen zur Schau stellten. Oft beliebt sind dabei Parolen, die sich auf die Weltmachtsansprüche des Nationalsozialismus beziehen. Unter anderem wurde im Zuge der Europameisterschaft 2012 beim Spiel Deutschland gegen Dänemark ein Banner entrollt, auf dem das Motto der Wehrmacht „Gott mit uns“ zu lesen war.

Doch nicht nur Nationalismus, auch Sexismus und Homophobie sind im deutschen Fußball immer noch allgegenwärtig. Zu Beginn dieses Jahres outete sich mit Thomas Hitzelsperger der erste (ehemalige) deutsche Profifußballer als homosexuell (provokante Frage am Rande: Warum hat sich noch kein Spieler als hetereosexuell geoutet?). Das mediale Interesse war riesig und es machte den Anschein, als hätte Hitzelspergers Schritt in die Öffentlichkeit einen positiven Einfluss auf die Debatte um Homosexualität im Fußball gehabt. Doch dieser Schein trügt. Immer wieder fallen nicht nur Fans, sondern auch Spieler und Funktionäre durch homophobe Äußerungen auf. Die Homophobie im Fußball hängt eng mit den zugrundeliegenden Rollenbildern zusammen. Dem Fußballspieler werden Attribute wie Kampfgeist, Härte und Disziplin zugeschrieben – alles Attribute, die von vielen Menschen nicht mit schwulen Männern* in Verbidnung gebracht werden. Dem Stereotyp entsprechend, seien diese doch eher sensibel und wankelmütig. Für viele Fußballfans ist Homosexualtät aufgrund dieser abstrusen Zuschreibungen unvereinbar mit dem Sport. Die Abwertung von Frauenfußball erfolgt nach dem gleichen Prinzip: Die verbreiteten, wertkonservativen Rollenbilder von Mann* und Frau* führen zu einer Abwertung von Frauen* als Fußballspielerinnnen per se. „Fußball ist Männersache und Frauen gehören an den Herd“ ist leider kein Relikt aus einer vergangenen Zeit, sondern noch immer gängige Meinung unter vielen Fußballanhängern.

Doch nicht nur im Blick auf die Spieler*innen sind Sexismus und Homophobie zu erkennen: Auch, beziehungsweise gerade, auf den Rängen kommt es ständig zu sexistischer oder homophober Kackscheiße. Beleidigungen der Fans gegnerischer Mannschaften zielen oft darauf ab, den zumeist männlich sozialisierten Kontrahenten die stereotypische Männlichkeit abzusprechen. Die Bezeichnung „schwul“ wird in vielen Fankurven noch immer als gängige Beleidigung angesehen. Ohnehin werden Frauen* in vielen Fanszenen nicht akzeptiert oder nur toleriert.

Festzuhalten gilt es allerdings, dass auch wenn Nationalismus, Sexismus und Homophobie beim Fußball häufig Ausdruck finden, dies keineswegs gesellschaftliche Randerscheinungen und ein spezifisches Problem des Fußballs sind. Vielmehr kumulieren sich die spezifischen Machtverhältnisse des kapitalistischen und patriarchalen Gesellschaftsverhältnisses rund um den Ballsport. Ebenso wie in anderen Teilen der Gesellschaft gilt es antiemanzipatorischen Entwicklungen im Sport und in den Fanszenen Einhalt zu gebieten und die „Hegemonie des Stumpfsinns“ zu durchbrechen. Dafür gibt es immer wieder positive Beispiele bei denen von Fans versucht wird, einen antisexistischen und antirassistischen Grundkonsens auf den Tribünen zu schaffen. Bei der kommenden Weltmeisterschaft gilt es, wachsam zu bleiben und wenn nötig zu intervenieren.

Kein Fußball den Faschist*innen, Rassist*innen, Sexist*innen und homophoben Idiot*innen!

Uns ist bewusst, dass dieser Text die Probleme und Zusammenhänge nicht hinreichend beleuchtet, sondern lediglich dazu dient einen Überblick über das Themenfeld zu bekommen. Zur vertiefenden Auseinandersetzung empfehlen wir unter Anderem:

Dagmar Schediwy
Ganz entspannt in Schwarz-Rot-Gold?
Der Neue deutsche Fußballpatriotismus aus sozialpsychologischer Perspektive

Almut Sülzle
Fußball, Frauen, Männlichkeit
Eine ethnographische Studie im Fanblock

Eva Kreisky, Georg Spitaler (Hg.)
Arena der Männlichkeit
Über das Verhältnis von Fußball und Geschlecht

KOS Schriften 10
gender kicks
Texte zu Fußball und Geschlecht

 

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